27.01.2022 – 29.03.2022
noise cancelling
Max Benz neuste Werkgruppe „Noise Cancelling“ verweist auf den uniformierten Individualismus unserer Zeit, geprägt von dem Bestreben des Individuums noch individueller zu erscheinen.
Darstellerische Codierungen im öffentlichen Ausdruck durch Mode, Musik oder in der Auswahl von Accessoires bis hin zur unwiderruflichen Verwendung des eigenen Körpers und seiner Haut erleben in der westlichen Zivilisation eine inflationäre Tendenz, die bereits als Massenphänomen bewertet werden kann und hiermit im unbewusst provozierten Umkehrschluss final im Zustand des ursprünglich unerwünschten Mainstreams gemündet ist.
In dieser Gesellschaft werden die Ränder spürbar lauter und in ihrem Ausdruck wachsend aggressiver. Die Ausschläge auf dem Seismographen der Ordnung werden stärker. Die Mitte schrumpft, notwendige Ruhe, die missverständlich als Langeweile identifiziert werden wollte schwindet zunehmend. Eine bunte und diverse Welt produziert Tag für Tag neue Bedeutungshoheiten und permanent wechselnde Stars, die in sämtlichen Milieus im Minutentakt nachwachsen und über die Flut atomisierter Kommunikationskanäle ihr Sekundenpublikum finden. In der Summe massenhaft produzierte Aufmerksamkeit mit geringster Halbwertzeit. Ein facettenreicher Wildwuchs pseudoprofessioneller Darbietungen, die konsequent an den naturgemäß sensiblen Spitzen der Empfindsamkeit unserer persönlichen Wahrnehmungsqualität feilen, bis diese flach und abgestumpft sind.
Benz stellt dar, was ganz aktuell mehrheitlich übersehen wird: die Kraft der Mitte. Und schafft damit ein unterschwellig sehr aktives Bild der Gegenbewegung. Eine achromatische, geschlossene Fläche bestimmt durch den pointiert zuverlässigen Mittelwert zwischen Schwarz und Weiß. Dieses eine, schlichte und zugleich starke Grau, das die beiden ultimativen Kontrastpole – Schwarz und Weiß – in Gänze auflöst. Im Ergebnis Arbeiten geprägt von Ruhe, die gleichermaßen den maximalen Kontrast zum überbordenden Zwang der inflationär bemühten Aufmerksamkeit abbildet.
Nicht nur die Zuverlässigkeit der konstanten Fixierung, die uns das Werk an der Wand – im Gegensatz zu der uns mit Lichtgeschwindigkeit konfrontierenden Veränderung allgegenwärtiger Screens – garantiert uns diese ungewohnt visuelle Entspannung – sie wird zusätzlich von einem Attribut verstärkt, das uns vom Autor direkt mitgeliefert wird: dem Minimalkontrast dieses einen konzentrierten Farbwertes zwischen Schwarz und Weiß, welcher exakt mit 17,64 % bestimmt ist. Ein Minimalkontrast, der Raum und Betrachter mittels „visuellem noise cancelling“ ein meditatives Zentrum schenkt. Ein Zentrum, das dennoch gefunden werden will und sich in der Reizüberflutung unserer Zeit eines vorsichtigen Signals bedient, das den bildhauerischen Aspekt in Benz Werk darstellt. Additive, klare, reduzierte aber eindeutig dimensionale Strukturen, welche die achromatische Gesamtaussage ohne eine etwa ablenkende Störung verstärken und den geringfügigen Kontrast gleichermaßen unterstützen und bestätigen.
Die Einzigartigkeit populärer Vorläufer der Kunstgeschichte, wie etwa die russische Avantgarde Anfang des 20. Jahrhunderts mit Kasimir Malewitschs „Schwarzen Quadrat“ – der Abbildung der Gegenstandslosigkeit, den „Black Paintings“ und „Ultimate Paintings“ des dem Abstrakten Expressionismus zugeordneten US Künstlers und Kunsttheoretikers Ad Reinhardt, oder der französische Nouveau Réalisme repräsentiert durch Yves Kleins ultramarinblauen Monochromien, die sich der farbpsychologischen Sogwirkungen auf den Betrachter widmeten, wird im Werk von Max Benz mit der Entdeckung und dem Einsatz dieses einzigen Grautones fortgeführt. Gestützt von gezielten Strukturaufträgen in der darstellerischen Auseinandersetzung mit zeitgenössischen, gesellschaftlichen Strömungen als Manifest des maximal entschleunigten Gegenpols der sinnbildlich „verlorenen Mitte“.